Antirassismus-Debatte: Grüne Bürgermeisterkandidatin fordert „Walter-Lübcke-Straße“

Bürgermeisterkandidatin der Viersener Grünen Martina Maaßen hat darauf hingewiesen, dass auch in Viersen noch viele Straßen nach historisch fragwürdigen Persönlichkeiten benannt sind, und fordert die Umbenennung dieser Straßen. Eine soll nach dem im vergangenen Jahr vermutlich durch einen Rechtsextremisten ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke benannt werden.

Maaßen: „Die Debatte um den alltäglichen Rassismus in den westlichen Demokratien hat sich seit dem Tod von George Floyd unter dem Knie eines amerikanischen Polizisten über die ganze Welt ausgebreitet. Wir sollten aber nicht auf die USA zeigen, sondern erst einmal vor unserer eigenen Haustür kehren. Auch bei uns ist Rassismus leider immer noch alltäglich. Auch wir haben ein koloniales Erbe, das auf der Ausbeutung anderer Völker beruht und zehntausenden Menschen oder mehr das Leben gekostet hat. Nach einigen Protagonisten und Fürsprecher dieser unrühmlichen Epoche deutscher Geschichte benennen wir heute noch Straßen und Plätze – auch in Viersen. Auch mit Blick auf die Anhänger der NS-Ideologie und Kollaborateure der menschenverachtenden nationalsozialistischen Diktatur sollten wir noch einmal genau auf die Namen unserer Straßen schauen!“

In vielen Städten Europas protestieren nach dem Tod von Floyd Bürgerinnen und Bürger gegen Alltagsrassismus und rassistische Tendenzen im Staatsapparat. Sie stellen dabei nicht nur die aktuelle Situation und die Verdrängung des Problems im öffentlichen Bewusstsein in Frage, sondern weisen auf die historischen Wurzeln von rassistischem Denken und imperialer Überheblichkeit hin, die ihre Wirkungen bis heute entfalten. In Bristol wurde sogar das Denkmal eines britischen Sklavenhändlers gestürzt.

Maaßen: „Wir wollen in Viersen keine Denkmäler stürzen, sondern solche, die zur Ehrung historischer fragwürdiger Persönlichkeiten oder als Ausdruck eines überhöhten Nationalismus errichtet worden sind, in einen neuen Kontext stellen. So könnten der Bismarckturm und das ‚Kreiskriegerdenkmal“ mit entsprechenden Informationstafeln ausgestattet werden, die sich kritisch mit dem deutschen Kaiserreich und seiner Vorgeschichte auseinandersetzen. Straßen aber, die zu Ehren von sogenannten ‚Kolonialherren oder -helden‘, ausgewiesenen Imperialisten, Nationalisten, Rassisten oder Antisemiten benannt wurden, sollten wir nach und nach umbenennen. Menschen, die Idealen anhingen, die wir in einer Demokratie bewusst ablehnen, oder die sogar selbst Menschenrechte verletzt haben, verdienen vielleicht unsere Erinnerung, aber niemals eine Würdigung, die sich durch die Benennung von Straßen und Plätzen ausdrückt.“

In ihrem Programm zur Kommunalwahl fordern die Viersener Grünen demonstrativ die Abkehr von jeder Form des öffentlichen Gedenkens für Nationalsozialisten und koloniale „Herrenmenschen“. Sie wollen eine unabhängige Expertenkommission berufen, die überprüft, ob Straßen und Plätze in Viersen nach Vertretern, Anhängern oder Förderern der nationalsozialistischen Terrorherrschaft oder des kolonialen Imperialismus erinnern. Nach ihrem Urteil sollen Umbenennungen geprüft und gegebenenfalls auch durchgeführt werden.

Die Grünen weisen auch darauf hin, dass das städtische Verzeichnis zur Erklärung von Straßennamen in dieser Hinsicht derzeit noch große Lücken aufweist. Darin werden weder Paul Hindenburg als Wegbereiter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, noch der besagte Ernst Moritz Arndt kritisch hinterfragt. Maaßen: „Hier besteht dringend Nachbesserungsbedarf. Die Ergebnisse der Expertenkommission müssen jedermann online zugänglich sein und jedes Straßenschild sollte mit einem QR-Code auf diese Information verlinkt werden.“

Maaßen: „Wir sollten die Namensgeber öffentlicher Straßen und Plätze nicht nur an ihrer Zeit gemessen werden, sondern eine Ehrung durch die Benennung von Straße und Plätzen daran festmachen, ob sie den heutigen Ansprüchen an Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschlichkeit genügen. Wir sollten ‚Demokratiehelden‘ ehren, keine ‚Kolonialhelden‘!“

Dafür hat Maaßen auch schon ein konkretes Beispiel. Sie schlägt vor, eine Straße in Viersen nach dem vor einem Jahr in Kassel ermordeten Regierungspräsidenten Walter Lübcke zu benennen – eine Tat, für die sich derzeit zwei Vertreter der rechtsextremistischen Szene vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts in Frankfurt zu verantworten haben.

Maaßen: „Walter Lübcke war ein mutiger Politiker und Demokrat, der für seine humanen Ansichten und die offensive Verteidigung unseres Rechtsstaats sterben musste. Ihn zu ehren, wäre für mich persönlich wesentlich angemessener als einen ausgewiesenen Antisemiten wie Ernst Moritz Arndt, der öffentlich gegen die ‚Vermischung von deutschem und jüdischen Blut‘ gewettert hat.“

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