23.11.2018 Gemeinsamer Antrag in Seenot geratene Flüchtlinge aufnehmen

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Anemüller,

die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN DIE LINKE. und FürVIE im Rat der Stadt Viersen beantragen für die nächste Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit zu beschließen:

Die Bürgermeisterin wird gebeten

  • sich dem Appell der Oberbürgermeister*innen der Städte Bonn, Düsseldorf, Berlin, Freiburg und Köln, – wie schon zahlreiche andere Städte und Gemeinden in Deutschland – anzuschließen, dass es intensive politische Anstrengungen geben muss, die Situation im Mittelmeer zu lösen, bis es eine europäische Gesamtlösung für die Aufnahme, die Asylverfahren sowie die Integration oder die Rückführung von Geflüchteten gibt und sichere Fluchtwege und die Fortführung der Seenotrettung als Bestandteil einer menschenwürdigen Asylpolitik zu fordern,
  • in einem Brief an die Bundeskanzlerin zu signalisieren, dass deshalb auch die Stadt Viersen bereit ist, freiwillig Flüchtlinge aufzunehmen.

Begründung:

Die Viersenerinnen und Viersener sind weltoffen und tolerant. Menschen aus vielen Nationen leben und arbeiten hier, teilweise schon seit Jahrzehnten und in zweiter, dritter oder vierter Generation, teilweise erst seit kurzem.

Gerade durch das herausragende Engagement der vielen ehrenamtlichen Unterstützerinnen und Unterstützer, für das wir uns an dieser Stelle ausdrücklich bedanken, ist es bei allen Schwierigkeiten, die es auch in Viersen gab und gibt,  gerade in den vergangenen drei Jahren in Viersen ausgesprochen gut gelungen Menschen, die aus ihren Heimatländern flüchten mussten ein menschenwürdiges zu Hause zu bieten und diese Menschen in Viersen zu integrieren. Für einige Menschen war und ist Viersen nur für einige Wochen oder Monate ein „sicherer Hafen“, für andere schon seit einigen Jahren und möglicherweise auch dauerhaft eine neue Heimat.

Seit Anfang des Jahres sind schon weit über 1700 Menschen im Mittelmeer gestorben. Grund dafür ist die menschenverachtende Abschottungspolitik einiger EU-Mitgliedsstaaten. Die europäische Flüchtlingspolitik versagt. Täglich erreichen uns Nachrichten über Seenotrettungsoperationen, weil Flüchtlinge seeuntüchtige Boote besteigen, um bitterster Not in ihrer Heimat zu entfliehen. Dabei spielen sich menschliche Tragödien ab, Boote kentern, Menschen ertrinken. Erreichen Boote dennoch die europäische Küste, werden sie abgewiesen oder müssen tagelang warten. Da insbesondere Italien die Häfen für Flüchtlingsboote inzwischen ganz geschlossen hat verlängert sich die lebensgefährliche Fluchtroute weiter, weil die Menschen irgendwie bis nach Spanien kommen müssen.

Dies geschieht, weil die Verteilung der geretteten Geflüchteten in Europa unklar ist.  Diese menschliche Katastrophe im Mittelmeer erreicht erschreckende Ausmaße, die mit den Werten der Europäischen Union sowie dem unerschütterlichen Glauben an die Unantastbarkeit der Würde des Menschen nicht vereinbar sind.

Auf diese Lage haben mehrere nordrheinwestfälische Oberbürgermeister*innen, wie auch der Oberbürgermeister unserer Nachbarstadt Krefeld reagiert, indem sich die Städte bereit erklärt haben, freiwillig und zusätzlich Geflüchtete aufzunehmen, die aus Seenot im Mittelmeer gerettet wurden.

Dieses Signal ist in mehrfacher Hinsicht wichtig – es dient der Unterstützung der Seenotrettung und die Zusage zur Aufnahme Geretteter ermöglicht auch unter den schwierigen politischen Bedingungen, die Geflüchteten an Land zu bringen und auf andere EU-Staaten zu verteilen. Die Bereitschaft der Kommunen ist insofern ein aktives und wirksames Signal für eine an den Werten der Menschenwürde und der Humanität orientierte Flüchtlingspolitik, die eine Katastrophe im Mittelmeer mit zahllosen weiteren Toten aktiv verhindern helfen kann. Dieses Signal richtet sich zugleich an die zahlreichen Helfer*innen und Organisationen, die mit hohem Einsatz eine humanitäre Katastrophe im Mittelmeer abzuwenden suchen. Zugleich ist es auch ein Signal an die europäischen Partnerländer – europäische Solidarität zeigt sich auch kommunal und vor Ort: Die Anrainerstaaten dürfen mit der Krise im Mittelmeer nicht alleingelassen werden.

Die Möglichkeiten dazu bestehen in Viersen – es gibt derzeit freie Kapazitäten zur Unterbringung von Geflüchteten in unserer Stadt und in Viersen ist auch die Hilfsbereitschaft und Unterstützung der vielen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Helferinnen und Helfer weiterhin groß.

Diese Möglichkeiten sollten für ein humanitäres Signal genutzt werden.

Mit freundlichen Grüßen