06.02.2018 Haushaltsrede 2018 gehalten von Martina Maaßen

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
sehr geehrte Damen und Herren,

lassen Sie mich zu Beginn meiner Haushaltsrede einen kurzen Blick auf den Oktober 2016 werfen:

Dort war in der Rheinischen Post die Aufforderung zu lesen:

Vollenden Sie folgenden Satz: „Viersen fehlt . . .“

Und ihre Antwort darauf Frau Bürgermeisterin? ….nichts. Außer Geld!

Daran wurde ich aus 2 Gründen wieder erinnert:

  1. Weil uns die Verwaltung im September einen nicht ausgeglichenen Haushalt vorgelegt hat und
  2. weil es in Viersen doch an Einigem fehlt.

Lassen Sie mich also auf den Haushalt zu sprechen kommen.

Bereits im September war ersichtlich, dass ein Haushaltsausgleich zu schaffen ist. Die Verwaltungsspitze scheute sich jedoch, uns diesen vorzulegen und wollte im Haushaltssicherungskonzept verharren.

Noch Mitte November prognostizierten Sie, Frau Bürgermeisterin, in einer von der Presse bezeichneten „Wutrede“, dass ein Haushaltsausgleich nur mit Steuererhöhungen zu ermöglichen wäre. Damit unterstellten Sie uns Grünen, den Bürgerinnen und Bürgern Sand in die Augen zu streuen und gaben somit die Botschaft aus: „Was kümmert uns der Haushalt von übermorgen?

Nichts von dem ist eingetroffen.

Erst eine gestalterische Mehrheit – getragen von uns Grünen und der CDU – brachte neue Gedankenspiele und Optionen in den politischen Diskurs.

Dass es nun im Haushaltsjahr 2018 zu einer schwarzen Null kommt, ist den erhöhten Einnahmen, durch erhöhte Schlüsselzuwendungen und steigender Einkommen- und Umsatzsteuer  sowie der sinkenden Kreisumlage geschuldet.

Jedoch, dass wir uns auf den Weg „raus aus dem HSK“ machen und auch für das kommende Haushaltsjahr 2019 einen ausgeglichenen Haushalt darstellen, ist der konsequenten Zielsetzung von Schwarz-Grün hier im Rat zu verdanken.

Fast bin ich geneigt, mir den Werbespruch für ein Schweizer Kräuterbonbon zu Eigen zu machen, der da heißt: Wer hat´s erfunden?

Ob es zu Steuererhöhungen in 2019 kommen muss, bleibt abzuwarten. Wir Grünen scheuen uns nicht davor, die Gewerbe- und die Grundsteuer moderat anzuheben. Dies ist für uns kein NO-GO!

Uns ist es dabei aber wichtig, die Belastungen gleichmäßig auf Bürger und Gewerbe zu verteilen. Die Erhöhung der Grundsteuer um 10% belastet die Bürgerinnen und Bürger um durchschnittlich 50 Cent bis 1 Euro pro Monat; durch die angedachte Erhöhung der Gewerbesteuer von 450 auf 460 Punkte zahlt eine Firma, die bisher 1.000€ Gewerbesteuer zahlen musste, nun 1.022€.

Wir sagen den Viersenerinnen und Viersenern klar, wo es unserer Ansicht nach hingehen soll. Ein ausgeglichener Haushalt in den Jahren 2018 und 2019 verschafft uns spätestens im Jahr 2020 finanzielle Spielräume.

Finanzielle Spielräume:

– für die Sanierung unserer Schulen,

– für den Ausbau des offenen Ganztags

– für längere Öffnungszeiten in unseren Kitas

– für eigene Projekte gegen Langzeitarbeitslosigkeit,

– für mehr bezahlbaren Wohnraum

– für eine besser ausgestattete städtische Übernachtungsstelle für Wohnungslose

– für mehr und bessere Radwege,

– für mehr Artenvielfalt auf städtischen Grünflächen und

– für die Erhaltung wertvoller Bäume an unseren Straßen und Plätzen.

Dies nur ein kleiner Ausschnitt von dem, was wir GRÜNE wollen und wofür wir den Bürgerinnen und Bürgern Steuererhöhungen zumuten, wenn dies denn erforderlich ist.

Ich kündige hiermit entsprechende Anträge unserer Fraktion an. In diesem Jahr steht die schwarze Null im Vordergrund.

Lassen Sie mich auf den Anfang meiner Rede zurückkommen.

Es fehlt an Nichts, außer Geld.

Nein, es fehlt nicht nur Geld.

Es fehlt der Blick, Frau Bürgermeisterin, für die Menschen, die es in Viersen nicht leicht haben. Die keinen bezahlbaren Wohnraum finden, die langzeitarbeitslos sind und mit ihren Familien in Armut leben.

Es fehlt der Blick für Alleinstehende und Obdachlose, die verstärkt die städtische Übernachtungsstelle aufsuchen müssen, und nicht, weil diese Einrichtung den Obdachlosen erst jetzt bekannt wird, sondern weil die Not größer wird.

Es fehlt auch der Blick für die Not unter den Viersener Frauen. Im letzten Jahr war die Anzahl von Frauen in der Übernachtungsstelle so hoch, wie nie zuvor. Teilweise 5-6 Frauen in der Nacht in einem Zimmer.

Ja, meine Damen und Herren,

Viersen ist schön und lebenswert. Wie schön, konnten wir auch in den letzten 3 Jahren auf den Neujahrsempfängen hören:

2016: Willkommen in Viersen

2017: Viersen lieben

2018: Miteinander in Viersen

Aber zählt dies auch für die Viersenerinnen und Viersener, denen es nicht so gut geht? Sind auch diese Menschen willkommen, gehören auch sie zum Miteinander und können Viersen lieben?

Obwohl wir eine gut aufgestellte Sozialverwaltung haben, die uns im Sozialausschuss durch fundierte Fachberichte auf die soziale Not hinweist, machen Sie sich, Frau Bürgermeisterin, dies nicht zu Eigen. Sie nehmen nicht Stellung zu den drängendsten Herausforderungen unserer Stadt.

Da hilft es auch nicht, dass Sie uns eine Vorlage präsentieren, in der Sie fast das ganze Sozialdezernat übernehmen wollen. Dies ist nicht, wie es uns die SPD weis- machen will, eine Aufwertung der Fachbereiche Jugend, Soziales, Schule und Kultur. Es ist deren Abwertung.

Bei dann 13 von Ihnen, Frau Bürgermeisterin zu steuernden Fachbereichen, ginge das Sozialdezernat nicht auf, sondern eher unter.

Gerade im Bereich Jugend, Soziales und Schule braucht es eine Führungskraft, die sich den dortigen Herausforderungen mit voller Kraft und vollumfänglich stellen kann.

Und dass Sie diese mögliche Geschäftsverteilung vorbei an ihrem Verwaltungsvorstand alleine mit der SPD „auskungeln“, lässt meines Erachtens den nötigen Respekt und die Achtung vor Ihren Dezernenten und deren Arbeit vermissen.

In ihrer aktuellen Neujahrsrede Frau Anemüller, konnten wir hören, dass Sie eine Stadt wollen, die Lebensraum für Menschen, nicht für Autos ist.

Wie passt dies zusammen mit Ihrem Vorhaben, die Lange Str. in Dülken für Autos zu öffnen?

Wie passt dies damit zusammen, dass auf dem Alter Markt in Dülken Autos fahren und parken dürfen.

Wie passt dies damit zusammen, dass laut Aussage ihrer Baudezernentin der Fahrradweg zwischen Dülken und Viersen erst in 10 Jahren – das sind zwei Legislaturen – in Ordnung gebracht werden kann?

Im Bereich „fairer Verkehr“ wird bisher unseres Erachtens zu langsam und zu zaghaft gehandelt.

Immer noch wird man durch „unfaire“ Ampelschaltungen, holprige, schlammige und teilweise gefährliche Radwege, die man auch noch benutzen muss (!) bestraft, wenn man mit dem Rad in Viersen unterwegs ist, während der Autoverkehr immer Vorfahrt hat und nur durch sich selbst eine Begrenzung findet.

In ihrer Neujahrsrede, Frau Anemüller, haben wir auch erfahren, dass Viersen nicht nur eine grüne Stadt auf dem Papier sein soll:

Ich zitiere: „LED-Bäumchen mögen mehr Licht bringen und weniger Dreck machen als Eichen, Buchen, Pappeln. Aber wollen wir das?“

Wir GRÜNEN wollen Bäume!

Wollen auch Sie, Frau Bürgermeisterin, Bäume in Dülken am Markt und an der Kirche?

Nein, Frau Anemüller, meine Damen und Herren. Denn hier zählt der Baum offenbar überhaupt nicht!

Die Linden an der Corneliuskirche sind nicht krank. Sie machen Dreck durch den Meltau (ohne H), der klebrig nach unten fällt. Aber deshalb „weg damit“?

Gerade diese Bäume werden aber in der Erarbeitung der Denkmalbereichssatzung „Historischer Stadtkern Dülken“ vom Landschaftsverband Rheinland als stadtbildprägend und schützenswert beschrieben.

Ist es nicht geradezu kafkaesk, in ein und derselben Sitzung gestern im STEP die Linden als wertvoll für das Stadtbild Dülkens zu bezeichnen – und anschließend deren Fällung zu beschließen?

Auch die Bäume auf dem Alter Markt sind nicht krank, sie sind auch nicht am Ende ihrer Lebenszeit. Sie brauchen einfach nur größere Baumscheiben und etwas Schutz vor rangierenden Marktbeschickern.

Aber laut Ihrer Aussage, Frau Bürgermeisterin, verhindern diese Bäume ein „mediterranes Flair“. Sie lassen zu wenig Licht durchdringen auf den „mediterranen Alten Markt“ … – Frau Anemüller, auch wenn Sie die Toskana noch so sehr lieben – das hier ist ein „niederrheinischer“ Marktplatz!

Große und gesunde Stadtbäume müssen also weichen, werden ersetzt durch kleine, pflegeleichte Bäumchen mit einem viel geringeren Durchmesser.

„Weniger Baum, mehr Rummel“, heißt hier wohl die Devise.

Dabei liefern gerade die großen Bäume, wie sie in der Dülkener Innenstadt stehen, einen extrem wertvollen Beitrag zur Linderung bei den mit Sicherheit häufiger werdenden Hitzewellen!

Es wäre sehr begrüßenswert, wenn Sie, Frau Bürgermeisterin, sich mehr für den Erhalt der Bäume bei Neuplanungen einsetzen würden, als radikal die Säge zu schwingen.

Der kahle und öde Bahnhofsvorplatz in Viersen  – eigentlich die Visitenkarte einer Stadt – ist dafür ein abschreckendes Beispiel, wie es nicht gehen sollte.

Auch die Bepflanzung des neu gestalteten Stadtparks in Dülken sticht – unseren grünen Anträgen zum Trotz – abermals mit ökologisch wertlosen Ziergrasbüscheln hervor, die schon am Bahnhofsvorplatz  und an der Realschule an der Josefsstraße einen Totalverlust für die Insekten darstellen.

Die Baumschutzfibel, die Pflanzfibel, dass „Maßnahmen- und Umsetzungskonzept ‚Zukunft Stadtgrün'“ und die neu einzurichtende Stelle für eine strategische Umweltplanung sind Vorschläge, die aus der Politik und nicht aus der Verwaltung gekommen sind.

Es bedarf noch weiteren Bohrens dicker Verwaltungsbretter in Sachen Ökologie;

Derzeit gibt es noch zu viele Widersprüche in Ihrer Neujahrsansprache, Widersprüche zu dem Anspruch Viersens, eine liebenswerte Stadt für alle zu sein. Zu dem Anspruch, willkommen zu sein und miteinander an der Gestaltung der Stadt und ihrer Natur mitzuwirken. Erst, wenn wir uns hier gemeinsam und ehrlich auf den Weg machen, wird Viersen das, was wir uns doch im Grunde alle für unsere Heimat wünschen: Eine lebenswerte Stadt im Grünen!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!